Es tut so weh.
So sehr.
Warum jetzt wieder?
Warum kann es nicht weggehen?
Warum gehört dieser Schmerz zu mir?
Haben das alle? Oder nur ich?
Es ist so schwer, damit umzugehen.
Kostet so viel Kraft.
Nerven.
Geduld.
Manchmal…
manchmal ist es weg,
oder zumindest fast.
Und ich kann ein bischen
für mich sein.
Nur ich.
Für mich allein.
Aber das ist so selten.
So selten.
Ich weiß ja, daß es irgendwo lauert,
mich anspringt oder auch nur,
was meist viel schlimmer ist,
ein klitzekleines leises Geräusch macht.
Leiser noch als eine Katze,
die auf Samtpfoten durch’s Haus schleicht.
Laut genug, um mich zu beunruhigen,
das genügt schon, die Unruhe.
Denn dann denke ich wieder daran.
Und das ist es, was es will,
ich soll daran denken.
Ich soll mir dessen bewußt sein,
es fühlen, riechen, sehen,
wahrnehmen.
Dieses Aufbäumen, Aufbegehren!
Sehnsucht, Verlangen!
Und doch…
Verzweiflung,
Niedergeschlagenheit.
Traurig.

In die Ecke meiner Seele gekauert
verberge ich zitternd und wimmernd
meinen Kopf vor den Gedanken,
den Geräuschen,
den Phantasien.

Doch es ist auch in meinem Herzen,
umklammert es, erdrückt es,
gnadenlos, erbarmunglos,
sich an meinem Leid weidend.
Wie könnte ich vor meinem Herzen
fliehen?

Lass‘ mich!
Geh weg!
Bitte.

Ich kann Dir nicht geben,
was Du willst.
Ich kann es einfach nicht.

Vor langer langer Zeit vielleicht,
vielleicht…
aber alle waren dagegen,
ich wußte, dass es SCHLECHT ist,
böse,
einfach falsch,
so etwas tut man nicht,
so etwas darf man nicht
wollen.
Noch nicht einmal daran denken
darf man.

Erziehung nennt man das,
Konditionierung.

Menschen werden dazu erzogen,
nicht sie selbst zu sein.
Ich wurde dazu erzogen,
nicht ich selbst zu sein.

Welch ein Drama.

Eingemauert in Erwartungen anderer
sterbe ich –
jeden Tag ein bischen
mehr

Manchmal streift mein
in Ketten liegendes Ich
ein Sonnenstrahl,
der durch das kleine
vergitterte Fenster fällt.
Manchmal.
Viel zu selten.

Manchmal, wenn ich nicht daran denke,
ist es fast so, als ob der Schmerz
nicht existieren würde.

Warum kann jetzt nicht manchmal sein?
Es tut so weh…
so unendlich weh.

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Zu diesem Gedicht gab’s folgende Antwort im Kürbis:
„Ja. Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, daß er glücklich ist; nur darum. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird sogleich glücklich, augenblicklich.“
Aus: Dostojewski – Die Dämonen. Roman

Und ich schrieb darauf:
Entgegen der Behauptung einiger Menschen, daß alles ganz einfach sei ist alles ganz kompliziert. Und wer das erst einmal verstanden hat, der wird nicht lange brauchen, um festzustellen, daß sich alles Komplizierte auch irgendwie wieder auf etwas Simples reduzieren läßt, doch kurz bevor er befreit lächeln kann, dämmert es ihm, daß dies alles nur noch komplizierter macht. So ist das nämlich. Alles andere sind Märchen, die in Büchern stehen, meist geschrieben von Menschen, die schon längst tot sind, eingefroren an einer bestimmten Stelle dieses endlosen fraktalen Reverse-Zooms auf dem ewig dauernden Filmintro zu „mein glückliches Leben“, in das jeder Mensch mit dem Zeitpunkt seiner Geburt zu gehen gezwungen wird. Und alle, alle(!) hoffen ihr ganzes Leben lang inständig, irgendwann einmal in der Totale anzukommen und befreit aufzuatmen, sich endlich anders hinzusetzen, tief luftzuholen, Popcorn zu knabbern, Cola mit Strohhalmen zu schlürfen und überhaupt den Film zu genießen. Aber ich schweife ab… darüber handeln die Zeilen in meinem Posting ja gar nicht – das ist eine andere und nicht minder traurige Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Es ist schon eine merkwürdige Welt, in der wir leben.